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Ulf Hecht, Mediator und ehemaliger Teilnehmer über die Coronakrise

Bleiben Sie positiv!

Was sich in meinem Fühlen, Denken und Handeln als Mediator in der Corona-Krise geändert hat oder eben auch nicht.

März 2020. Das Telefon klingelt immer wieder und der Kalender wird immer leerer. Seit 2006 arbeite ich als freiberuflicher Berater und es gab in dieser Zeit schon eine Menge Ups and Downs. Der erste Lockdown, zur Eindämmung der COVID-Pandemie, hat mich trotzdem kalt erwischt. Ein paar Wochen war ich geschockt. Da ging erst mal nicht viel. Dann habe ich mich, wie so oft im Leben, erwischt, dass ich mich selbst aus der Meta-Ebene betrachte. Nichts ist da so hilfreich wie eine gute Theorie, zum Beispiel die der Krisenbewältigung:

Abb. Krisenbewältigungsphasen (Johann Cullberg / Verena Kast)

Keine Sorge, ich gehe in diesem Text vor allem auf die Phasen der Bearbeitung und der Neuorientierung ein. Besonders auf die positiven Effekte nach der Krise. Ich schreibe hier aus der Sicht eines Mediators auf sein Arbeitsfeld. Die privaten und persönlichen Aspekte meines Krisenbewältigungs-Prozesses seit März 2020 erspare ich Ihnen gerne. Nur so viel: Es war sehr anstrengend, aber sonst wäre es wohl auch nichts gewesen.

Nach dem ersten Schock und einer gewissen Reaktionszeit akzeptierte ich die Krise und ging auf die Suche nach Lösungen. Besonderen Bedarf an Lösungen hatte ich auf den Feldern: Arbeit, Freiheit, Sicherheit, Sinn, Kontakt, Neugier und Entwicklung.

Arbeit

Nach sorgfältigem Denken war mir klar, dass ich weiterhin vollkommen freiberuflich arbeiten will. Das Risiko aber auch die Vorteile der Solo-Selbständigkeit sind mir immer bewusst. In der Coronakrise war das Risiko geradezu körperlich zu spüren. Aber auch die Erkenntnis, gut damit leben zu können und weiterhin handlungsfähig zu sein.

Freiheit

Neben allem Studierten ist es oft auch das Erlebte, das mir Sicherheit gibt. Zusammen mit zwei Brüdern bin ich bei meiner alleinerziehenden Mutter groß geworden. Die Haushaltskasse war knapp und viel Luxus war nicht drin. Das Gute daran: Ich fand meine Freiheit nicht im Reisen und im Konsum, sondern eher in der Ruhe, dem Sinn und der Zeit, zu tun und zu lassen was ich will. Als Kind hing ich oft Tagträumen nach. Als Erwachsener kann ich das heute noch gut. Das brachte mich fröhlich, kreativ und besonnen durch die Krise.

Sicherheit

Ich arbeite zwar meist alleine, aber ich lebe nicht alleine. Meine Familie, neue und alte Freunde, aber auch liebe Kunden und Kollegen bilden ein gut gewebtes Netzwerk, das mich sicher trägt. Eine gute Erkenntnis: Ich musste keine Krise alleine meistern.

Sinn

Meine Arbeit lebt auch von den Krisen anderer Leute. Aber ich suche keinen Streit um des Streits willen. Für mich bekommt Mediation ihren Sinn dadurch, dass Konflikte von freien Menschen konstruktiv und kreativ gelöst werden können. Aus meiner Sicht ist die Fähigkeit, Konflikte „aus der Freiheit heraus“ zu lösen, eine urmenschliche Fähigkeit. Jahrtausende lebten die Menschen in kleinen Gruppen als Jäger:innen und Sammler:innen. Die hatten keinen König und kein Gericht, um ihre Konflikte zu lösen. Macht und Gesetz kamen erst später dazu. So haben wir drei Wege, die wir gehen können. Zum König (oder ähnlichem), vor Gericht und zur Mediation. Jeder der Wege ergibt Sinn. Kommt immer auf den Kontext an.

 

 

Kontakt

Lange und viel unterwegs und dann plötzlich Homeoffice. Gut, eine ausgiebige Neuorganisation des Büros stand lange an und führte zu vollen Papiermülltonnen. Wie aber in Kontakt bleiben mit bestehenden und möglichen Kunden?

So mache ich mich auf den Weg ins Digitale. #MeineKleineWebinarWelt entstand und es stellt sich heraus: Weiterbildungen und Workshops, auch Coachings und Supervisionen funktionieren auch online gut. Vorgespräche mit Konfliktparteien in der Mediation fast noch einfacher und erste Mediationen über die Videoschalte liefen vielversprechend. Ich erkläre mir das so: Die für eine Mediation notwenigen Dinge, nämlich Denk-, Fühl- und Handlungsprozesse sind immer im Menschen vorhanden. In der körperlichen Präsenz gemeinsam in einer Mediation im realen Raum und auch gemeinsam im digitalen Raum.

Kontakt zu sich selbst und zum anderen ist weiterhin möglich.

Neugier

Ja, ich musste mich zunächst an die Technik gewöhnen. Auch weil ich etwas Zeit brauchte, mich nicht auf das Medium zu konzentrieren, sondern auf die Botschaft. Auf den Selbstausdruck und die Zuwendung im Dialog der Konfliktparteien. Meine klare Erkenntnis dazu: Dem Dialog gilt meine größte Neugier, nicht dem Medium.

Entwicklung

Gut segeln kann ich seit Jahren auf dem Meer der Gewaltprävention, des Coaching, der Beratung und der Supervision. In meiner Mediationsausbildung habe ich viel über Leuchttürme, Landkarten und Segelrouten für den Ozean der Konfliktbearbeitung gelernt. Segeln muss ich nun selbst. Aber sogar beim schlimmsten Coronasturm geht immer etwas. Noch eine positive Erkenntnis aus der Krise:

Die Entwicklung ist nicht abgeschlossen.

Ulf Hecht, Dipl. Pädagoge, Dipl. Sozialarbeiter aus Unna (NRW) arbeitet seit 2006 bundesweit freiberuflich in den Bereichen Training, Coaching, Beratung, Supervision und (nun auch) Mediation.

www.ulfhecht.de

Teilnehmer im Lehrgang: Konfliktmanagement und Mediation in Organisationen Jahrgang 2019 – 2021 .

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16.05.2022
Systemische Organisations- und Wirtschaftsmediation
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