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Interview mit Wiebke Gronemeyer und Bennet van Well von Metaplan

Simon Shaw, Student PPÖ (Philosophie, Politik und Ökonomik) an der UW/H und Mitarbeiter im Team Professional Campus, sprach mit Dr. Wiebke Gronemeyer und Dr. Bennet van Well von Metaplan…

…über das WittenMBA Modul Strategie & Organisation, die Organisation Metaplan und das Verhältnis von Wirtschaft zu Gesellschaft.

 

Hallo Wiebke, Hallo Bennet. Dieses Wochenende fand das WittenMBA Modul Strategie & Organisation statt, welches ihr zusammen mit Guido Möllering leitet. An was haben die Studierenden gearbeitet?

Wir haben mit den Studierenden erarbeitet und diskutiert, wie Organisations­gestaltung und Strategieentwicklung zusammenhängen. Grundlage dafür ist unser organisationstheoretisch informierter Blick auf Organisationen. Die Wirksamkeit und Praxistauglichkeit all unserer Konzepte und Heuristiken überprüfen wir immer anhand der Anliegen und Fälle unserer Teilnehmenden. Konkret haben wir an drei Fällen gearbeitet, die Teilnehmer:innen in Ihrer Heimatorganisation aktuell bewegen müssen. Wie haben in insgesamt 5 Runden durchdacht, was man neues herausfindet, wenn man mit unseren Konzepten draufschaut. In der finalen fünften Runde haben wir die konkreten Schritte entwickelt, die jetzt in jedem der Fälle zu gehen sind.

 

Ihr arbeitet für die Organisation Metaplan. Was genau macht eigentlich Metaplan?

Metaplan ist eine Strategie- und Organisationsberatung. Seit unserer Gründung 1972 setzen wir auf Führung und Beratung im Diskurs. Alle unsere Projekte beginnen mit Fragen – an die konkrete Organisation, die konkreten Märkte, die relevanten Akteure. Das Anlegen produktiver Interaktionen – vom Erstgespräch bis zu umfangreichen Workshop-Folgen oder Managementkonferenzen – ist unser alltägliches Handwerkszeug, das wir immer aufs Neue hinterfragen und weiterentwickeln.

 

Unter dem gleichen Namen bekannt ist eine Moderationsmethode für die Arbeit in Gruppen. Was ist die Besonderheit der Metaplan-Methode?

Gute Moderation sorgt dafür, dass Standpunkte offen geäußert und nachhaltige Entscheidungen getroffen werden können. Dazu gehört mehr, als Karten zu verteilen und anzupinnen. Mit Hilfe unserer Methode bringen wir Akteure ins Gespräch und helfen dabei inhaltlich zu diskutieren, komplexe Zusammenhänge zu strukturieren und zu breit getragenen Lösungen zu kommen. Die Moderation von Workshops ist dabei nur ein Teil. Wir orchestrieren Einzel-, Gruppengesprächen und Workshops zu einem Diskurs. In all diesen Formaten nutzen wir selbst, mit unseren Kunden und Teilnehmer:innen in unseren Veranstaltungen die Visualisierung mit Karten. Es ist ein intuitives System, das mit wenigen Elementen Gedankengebäude aufbaut und nachvollziehbar macht. Natürlich haben die so entstehenden Poster auch eine ganz eigene Ästhetik. Vordergründig geht es uns aber darum Verständigung zu ermöglichen. Dabei hilft die Methode in ihrer analogen genauso wie in ihrer digitalen Form.

 

Welche Art von Transformationen stehen bei den von euch beratenen Unternehmen aktuell im Vordergrund?

Ganz aktuell ringen viele Organisationen mit der Frage, wie sich Führung und Zusammenarbeit als Folge der Pandemie verändern und verändern müssen. Dabei stehen meist Wertefragen im Vordergrund. Ganz praktisch geht es aber bei der Forderung nach Flexibilität oder zeitlich und räumlich entgrenzter Arbeit um die Frage, welche Regeln man sich geben will und wie diese Regeln entstehen. Wie oft sollen Menschen mit Büroarbeitsplätzen ihren Arbeitsplatz aufsuchen? Wie können soziale Begegnung und Zusammenarbeit organisiert werden? Auch Fragen von NewWork, Nachhaltigkeit und Holokratie werden diskutiert, allerdings eher im HR-Umfeld, weil man für junge, neue Mitarbeiter:innen attraktiv sein will. Jenseits der HR-Welt finden diese Themen nur in sehr wenigen Unternehmen substanziellen Anklang. Viele Unternehmen beschäftigen sich vor allem mit Lieferketten, Rohstoffkosten und der Frage, wie man strategisch auf weltpolitische Veränderungen reagieren kann.

Der Beratungsansatz von Metaplan fundiert u.a. auf der Systemtheorie von Niklas Luhmann. Welche Rolle spielt die soziologische Perspektive für die Betrachtung von a: wirtschaftlichen Handelns und b: organisationalen Wandels?

Metaplan nutzt auch die Systemtheorie Luhmanns, das ist richtig. Genauso bedeutend sind aber andere Ansätze, wie z.B. die von Cyert, March, Simon, Crozier, Friedberg, Giddens, Habermas und vielen anderen. Als Beratungshaus müssen wir kein geschlossenes Theoriegebäude nachweisen, diese Debatte gehört in die Wissenschaft. Wir nutzen die Möglichkeit, uns die Vielfalt der Denkschulen, auch der soziologischen, zunutze zu machen. Wir wollen Organisationen bewegen und ihren Akteuren ermöglichen zu handeln. Deshalb nutzen wir, was praktisch hilft, auch wenn die Theorien dahinter als Theorien schwer zusammenzubringen sind.

Zurück zu Frage a): Wirtschaftliches Handeln ist gesellschaftliches Handeln und Unternehmen sind in die Gesellschaft eingebettet. Es wäre ja auch fatal, wenn Unternehmen – nur weil sie einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen – außerhalb gesellschaftlicher Normen oder Regeln agieren könnten. Externe Stakeholder stellen also zu Recht Forderungen an Unternehmen – mit der Folge, dass die Unternehmen, die von sich behaupten, dass sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, genau daran gemessen werden.

Zu b): Das Stichwort organisatorischer Wandel beschreibt weniger das Verhältnis einer Organisation zu ihrer Umwelt als vielmehr das Verhältnis der Akteure in der Organisation. Aber auch sie sind jenseits ihrer Erwerbsarbeit gesellschaftliche Akteure und im Laufe ihres Lebens Mitglieder einer Mehrzahl von Organisationen – stärker als noch vor 30 Jahren. Die Lebensläufe werden bunter, die Verweildauer in Organisationen kürzer. Dies führt zu einer Vielzahl von Erwartungen, die man bereits als Akteur mitbringt, wenn man den Arbeitsplatz wechselt. Andererseits müssen Veränderungen eher begründet werden, gerade in postbürokratischen Organisationen, die die Macht der Anweisung weniger nutzen wollen. Gleichwohl bleiben fast alle Unternehmen, mit denen wir es zu tun haben, zum größten Teil hierarchische Systeme, in denen Macht stets wechselseitig aber zumeist asymmetrisch verteilt ist.

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„Genau das ist die Stärke von Organisationen, dass sie die Kraft einzelner bündeln  und verstärken können“.

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Wie sollten wir über Wirtschaft, Gesellschaft und die jeweiligen Akteure nachdenken, um Zukunft gestalten zu können?

Klimawandel, globale Krisen, Konflikte um Ressourcen und Rohstoffe zeigen, dass Wirtschaft sich eben nicht verselbständigt, sondern in Gesellschaft eingebettet ist. Die Begrenztheit der Ressourcen wird dadurch offensichtlich und spürbar. Wie so oft wird sie für die ärmeren Teile der Welt und unserer Gesellschaft viel deutlicher und unmittelbarer spürbar als für die Reicheren. Dadurch müssen wir uns Fragen der Gerechtigkeit und über die Folgen unseres Handelns stellen. Wenn wir dafür einfache Antworten hätten, würden wir sie geben. In seinem Buch „The Consequences of Modernity“ beschreibt Anthony Giddens, wie jede Intervention, die Folgen der Moderne in den Griff zu bekommen, neue unintendierte Handlungsfolgen hervorbringt. Und doch ist Nicht-Handeln auch keine Option. Zu kurz greift in jedem Fall der Appell an die Verantwortung der Einzelnen. Die Einzelnen haben nicht die Kraft, um die Verhältnisse zu verändern. Genau das ist die Stärke von Organisationen, dass sie die Kraft einzelner bündeln und verstärken können. Das kann man gut beobachten, wenn man schaut wie schnell und nachhaltig Organisationen wie Vereine und andere Initiativen die Ukraine-Hilfe organisieren und stemmen.

 

Welche Potentiale werden dadurch entfaltet, dass im WittenMBA Studierende aus verschiedensten Berufen zusammenarbeiten?

Im WittenMBA wird Diversität in den beruflichen Herkünften konkret erfahrbar. Sowohl als etwas, was den einen von der anderen unterscheidet, als auch, dass es über verschiedene berufliche Hintergründe hinweg Gemeinsamkeiten gibt. Letzteres entlastet die Einzelnen. Denn sie sehen und erleben, dass die Konflikte, Probleme, Grenzen, Missverständnisse und Unzulänglichkeiten, die sie in ihren Organisationen erleben, mehr mit dem Phänomen Organisation zu tun haben als mit vermeintlicher eigener Unzulänglichkeit oder besonderen inhaltlichen Herausforderungen ihrer Arbeit. Andererseits bereichern die unterschiedlichen Herkünfte, weil man bei den anderen Lösungen und Erfahrungen sehen und abschauen kann, die die eigene Arbeit erleichtern können.

Danke Wiebke, Danke Bennet für das Gespräch!

Gerne!

Zum Thema passendes Bildungsangebot.

01.10.2024
Witten MBA – Leadership & Management
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