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Auf einen Kaffee mit... Tom Rüsen

Das Team Professional Campus traf Prof. Dr. Tom Rüsen, Leiter des Wittener Instituts für Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke (WIFU).

 

Lieber Herr Prof. Rüsen, welche Fragen beschäftigen Sie und das Wittener Familieninstitut für Familienunternehmen gerade?

 

TR: Aktuell haben wir drei Studien veröffentlicht: zwei zu Besonderheiten der Digitalisierung in Familienunternehmen und eine zum Status Quo der Entwicklung von Gesellschafterkompetenz. In den beiden Studien zur Digitalisierung  schauen wir, in welcher Form Digitalisierung stattfindet und welchen besonderen Einfluss hierauf die Familie des Familienunternehmens nimmt. Im Falle der Studie zur Gesellschafterkompetenzentwicklung haben wir untersucht, welche Inhalte bei Gesellschafterkompetenz vermittelt werden und in welcher Form Unternehmerfamilien dies familienintern organisieren.

 

 

 

Seit Gründung des Instituts im Jahr 1998 hat das WIFU wichtige Dynamiken und Themen im Familienunternehmen sowie in Unternehmerfamilien erforscht. Zu nennen sind u.a. Professional Ownership bzw. ‚Gesellschaftrekompetenzentwicklung‘ (kurz GKE). Es ist anzunehmen, dass allermeisten Unternehmerfamilien dies ohnehin auf dem Radar haben.

Warum ist es heute immer noch entscheidend, dass ein/e Gesellschafter:in an einem Kurs wie dem Qualifizierungsprogramm „Gesellschafterkompetenz“ an der UW/H teilnimmt? Ist für jede/n etwas drin, also für den ‚unternehmensfernen‘ genauso wie für das Gremiummitglied oder den/die designierten Nachfolger:in? 

 

TR: Die Anforderungen an einen Gesellschafter, ob er oder sie nun in einem Gremium oder einfaches Mitglied der Gesellschafter Versammlung ist, nehmen grundsätzlich zu. Es müssen immer komplexere Entscheidungen zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Familienunternehmens getroffen werden. Hierzu benötigt jedes Mitglied einer Unternehmer-Familie, insbesondere aber diejenigen die in der Verantwortung eines Gesellschafters stecken, eine Grundkompetenz. Diese kann in einem Grundlagenkurs, wie wir den an der Universität Witten/Herdecke anbieten, sehr gut erreicht werden.

 

 

Sie blicken auf über zwanzig Jahre Forschung im Themenfeld des Familienunternehmens zurück. Welchen Bedarf, welche Trends, welche Veränderungen lassen sich aufspüren? Brauchen Gesellschafter:Innen heute neue, andere Skills, als dies noch vor etwa zehn oder mehr Jahren der Fall war? 

 

TR: Aufgrund der Zunahme der Anzahl von Gesellschafter:innen in Eigentümerkreisen, die sich mit einem bestimmten Vererbungsmuster erklären lassen, haben wir die Situation, dass es immer größere Gruppen von Verwandtschaft ich verbundenen Eigentümern eines Familienunternehmens gibt, die gemeinsam Entscheidungen treffen müssen. Hier sind natürlich grundsätzliche betriebswirtschaftliche Fähigkeiten und Fertigkeiten gefragt. In den letzten Jahren ist allerdings hinzugekommen, dass man sich als größer werdende Eigentümerkreis und Familiengemeinschaft abstimmen und auf einander Bezug nehmen lernt. Der Verwandtschaftsgrad nimmt ab, die individuellen Lebensmodelle weichen deutlich voneinander ab. Und doch gibt es eine gemeinsame Familien-Idee, die sich dann in einheitlichen und auf die Zukunft gerichteten Entscheidungen manifestieren soll. Dies ist kein Selbstläufer und will gelernt werden.

 

 

Gesellschafterkompetenz wirkt ja im Schnittfeld zwischen Familie, Unternehmen und Eigentum. Wie kann man sichergehen, dass die Ansichten und Eigeninteressen des Gesellschafters (Stichwort oder „Professional Ownership“) und die Strategie des Unternehmens (Stichwort Family Business Governance) zusammenpassen?

Im Spezifischen: Wie wichtig ist die Kultur aber auch die Organisation der Unternehmerfamilie für den Zusammenhalt von Familie und Unternehmen? 

 

TR: Wir haben an der Universität Witten/Herdecke seit über 20 Jahren ein systemtheoretisches Grundverständnis, dass wir auch in unserer Weiterbildung und unserer Perspektive auf Familienunternehmen und Unternehmerfamilien lehren. Auf dieser Basis ist es oftmals viel einfacher zu verstehen, dass Gesellschafterin und Gesellschafter, aber auch andere Mitglieder einer Unternehmer-Familie, mit paradoxen Anforderungen die sich zum Teil widersprechen einen Umgang lernen. Denn betriebswirtschaftliche Erfordernisse sind oftmals mit den Erwartungen einer Familie nicht kompatibel. Genau dies zu erkennen einzuordnen und einen paradoxiefreundlichen Umgang damit zu lernen ist Bestandteil unseres Ansatzes.

Die systematische Einbindung von Ehegatten und Lebenspartner:innen spielt hierbei auch eine wichtige Rolle. Deshalb denken wir, dass es von elementarer Bedeutung ist, diese Teile der Unternehmer-Familie ebenfalls in den Auf- und Ausbau ihrer Kompetenzen zu unterstützen beziehungsweise systematisch in Kompetenz-Entwicklungsprogramme einer Unternehmerfamilie zu integrieren.

Prof. Dr. Tom A. Rüsen
Prof. Dr. Tom A. Rüsen, Universität Witten/Herdecke

 

Welche Tendenzen und Herausforderungen gilt es heute für Unternehmerfamilien zu bewältigen; insbesondere was Krisenfestigkeit, Nachhaltigkeit und Purpose-Economy angeht? Kann sich die Enkel-Generation auf andere Art einbringen als die bisher der Fall gewesen war, etwa in den ‚klassischen‘ Nachfolgemodellen? 

TR: Wir sehen, dass die Themen der digitalen Transformation, eine deutliche Intensivierung der Purpose-Orientierung aber auch Fragestellungen einer systematischen Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsstrategien immer häufiger Bestandteil der Diskussion in Unternehmerfamilien wird. Hier können eine etablierte Kommunikationskultur, sowie insbesondere systematisch vorhandene Austauschmöglichkeiten im Kreis der Unternehmerfamilie einen wesentlichen Beitrag darstellen.

In unseren Kursen zeigen sich immer wieder sehr interessante Beispiele und Ansatzpunkte, die in den einzelnen Unternehmerfamilien praktizierte Lösungen und Vorgehensweisen aufzeigen. Deshalb ist es so wichtig, dass man neben inhaltlichen Impulsen insbesondere auch die gelebte Praxis des Managements von Unternehmen und Familie in unseren Kursen und Weiterbildungsveranstaltungen systematisch integriert.

 

Gesamtgesellschaftlich betrachtet befindet sich die soziale Institution Familie per se im Wandel (Stichwort „new kinship“). Ohne in allzu futuristische Szenarien hinein zu blicken: In Japan ist es gang und gäbe, dass (männliche) Firmennachfolger adoptiert werden. So wird die Firmennachfolge jenseits der genetischen Familiengrenzen geklärt. Sind innovative Lösungen welche eine „erweiterte“ Familie mit einschießen in Deutschland absehbar, oder zumindest denkbar?

Inwieweit sind ’neue‘ Formen des Eigentums heute gefragt — möglicherweise bis ihn zu innovativen Rechtsformen (siehe das Konzept der ‚Gesellschaft mit gebundenem Vermögen‘, Kurz ‚GmbH-gebV‘)? 

 

TR: In unserem Verständnis sind neue Formen das Eigentum generationenübergreifend an das Familienunternehmen und weniger an einzelne Personen zu binden mögliche Formen, die transgenerationnale Idee des Familienunternehmertums strukturell zu organisieren. Bisher wurden für die Umsetzung entsprechender Ideen vor allem Stiftungsmodelle in Erwägung gezogen. Für bestimmte Unternehmenstypen scheint eine Stiftung allerdings unpraktisch zu sein. An dieser Stelle sind die neuen Ansätze mögliche Formen, generationsübergreifend Gesellschaftsformen zu etablieren.

 

Was heisst für Sie  Zukunft zu gestalten wie können Gesellschafter:Innen einen Beitrag dazu leisten, das Familienunternehmen und/oder die Unternehmerfamilie erfolgreich und nachhaltig in die Zukunft zu tragen?

 

TR: Zukunft gestalten bedeutet für mich mit einem wachen und offenen Blick durch die Gesellschaft zu gehen. Immer wieder werden fragen deutlich die nach Antwort suchen. Immer wieder gibt es im kleinen lokalen gefunden Lösungen die für eine übergreifend der Gesellschaft sinnvoll vielleicht als Maßstab zu etablieren sind.

Deshalb verstehe ich meine Aufgabe neue Lösungen zu identifizieren Fragestellungen mit gezielter Forschung und gezielten Dialog nach zu gehen um hier eventuell neues zu etablieren.

 

 

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06.09.2024
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