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'Ich denke eher in Generationen als in Fünf-Jahres-Plänen'

Ein Tag im Leben von…

Andreas, Pilot, Gesellschafter, Unternehmer – und Student im Witten MBA

Lieber Andreas, Danke dass du dir Zeit für dieses Gespräch nimmst!
Wann arbeitest du am liebsten: Eher früher Vogel oder Nachteule?
On demand (lacht). So wie es reinkommt. Ich fang in der Regel gerne früh an, aber bei Bedarf arbeite ich auch gerne bis spät abends.

Home office oder Büro?
Beides hat Vorteile!
Zuhause möchte ich jedoch lieber den Kopf frei haben. Daher arbeite ich vorzugsweise im Büro.

Eher Yoga, Jogging – oder weder noch?
Yoga; definitiv.

Ok! Dann fangen wir an. Wie du dir vorstellen kannst, sind wir im Team sehr neugierig geworden, als wir erfahren haben, dass ein Pilot den Witten MBA studiert!
Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Richtig typisch ist da nichts! Das ist eine wahre Herausforderung.
Aktuell läuft es in etwa so: Das, was reinkommt wird gesichtet und abgearbeitet.
Parallel dazu bin ich sehr gut drin, neue Projekte zu entwickeln und zu starten! Auch ehe die alten abgeschlossen sind… (Lachen)
Tatsächlich arbeite ich an vielen Fronten parallel. Ich muss für mich aufpassen, dass ich den Überblick behalte. Vorteilhaft ist es da, dass ich in dem jeweiligen Projekt einen Sparring-Partner habe, der zusammen mit mir, Struktur in den Tag bringt und mich auf das Thema fokussiert, oder mit dem ich gemeinsam analysiere, welche Kurzzeitziele erreicht werden sollen.
Um auf deine Frage zurückzukommen – ein klassischer Arbeitstag sieht so aus: Ich fahre ins Büro und bespreche die Tagestopics mit meiner Assistentin. Dann gehen wir die Zahlen und den aktuellen Stand durch, priorisieren Projekte und schauen welche wir nach vorne treiben möchten.
Das sind tatsächlich relativ viele parallel laufende Projekte. In meinem eigenen Business und im Familienunternehmen. Den Überblick zu behalten, das ist eine große Herausforderung, die Flexibilität und gleichzeitig Weitsicht braucht! (lacht)

Du bist Gesellschafter eines Familienunternehmens…
Genau.

Meine Vorstellung, dass du tagtäglich in den Helikopter einsteigst, muss ich also bestimmt revidieren oder?
Ein klares Jein. Das Helikopter-Unternehmen habe ich gegründet mit der Absicht, hauptberuflich Helikopterpilot zu werden. Aktuell habe ich jedoch mein Studium und viele administrative Aufgaben in meiner Funktion als Unternehmer und Gesellschafter. Natürlich fliege ich. Privat und kommerziell. Jedoch fliege ich im Moment nicht so häufig, dass ich sagen würde: das ist mein Beruf. Aber es gibt natürlich auch Phasen in denen das Fliegen im Vordergrund steht, so habe ich vor mich nächstes Jahr zum Fluglehrer zu qualifizieren.

Wenn du dich nicht hauptberuflich als Pilot siehst: Verstehst du dich eher als Intrapreneur, gerade durch die vielen Projekte im Familienunternehmen?
Eine spannende Frage. Aktuell würde ich mich selbst eher als Entrepreneur beschreiben, denn aktiv arbeite ich an meinen eigenen Projekten. Im Familienunternehmen laufen die Prozesse vielmehr in Abstimmung mit den übrigen Gesellschaftern, aber vielleicht werde ich hier auch mehr zum Intrapreneur.
Das MBA Studium bereichert mich auf jeden Fall in beiden Bereichen: Ich fange an, mich selbst und auch das, was ich mache, besser zu verstehen.

Nun zu dem Witten MBA: Was war der Auslöser und wie kamst du denn überhaupt auf diesen MBA?
Den Wunsch, eine Weiterbildung in diesem Bereich zu machen, hatte ich schon länger.
In meiner Gesellschaftertätigkeit habe ich häufig gemerkt, dass das Feld der Unternehmensführung äußerst komplex und spannend ist. Durch mein Ingenieur-Studium habe ich bereits sehr viel über die technische Seite eines Betriebes gelernt. In der Ausbildung zum Piloten habe ich sehr viel über Organisationsabläufe gelernt. Gerade im Bereich Kommunikation und Leadership. Im Cockpit muss es funktionieren; man muss gut kommunizieren. Die Aufgaben müssen klar verteilt sein und man braucht eine sehr gute Fehlerkultur.
Das sind viele Elemente, die man auf eine Firma übertragen kann.
Aber die Basics, wie Controlling o.ä., habe ich bisher nur autodidaktisch gelernt. Ich habe immer nebenher Teile davon aufgeschnappt – privat und aus der Praxis heraus, etwa mit Beratern oder in Besprechungen bei der Analyse der Zahlen.
Jede Sitzung war dabei ein Lernprozess.
Doch auch diese Bausteine wollte ich richtig von der Basis aufbauen.
Dann bin ich über das WIFU (Wittener Institut für Familienunternehmen) auf den MBA in Witten gekommen. Er scheint für mich wie maßgeschneidert zu sein. Ich kann meinen unternehmerischen Aufgaben weiterhin nachkommen und gleichzeitig mein Fachwissen erweitern. Zusätzlich war für mich ganz wichtig, dass mein Studiengang meinen persönlichen Werten entspricht.

Das beantwortet eine Frage, auf die ich gleich gekommen wäre: bei dir wäre es naheliegend, im zweiten Jahrgang die Vertiefungsmodule Familienunternehmen zu absolvieren… Aber nun zu dem Studium: wie schaffst du es, den Master neben dem Beruf zu studieren – und das auch noch in Zeiten der Dauerkrise?
Ich würde mich als wissensdurstigen Menschen beschreiben.
Die Präsenztermine funktionieren für mich sehr gut.
Die Hausarbeiten sind da schon ganz anders. Ein klassisches Studentenproblem. Man hat relativ lange Abgabefristen und muss gut organisiert sein. Gerade durch die aktuelle Krise sind die Prioritäten jedoch nicht immer unbedingt auf den Hausarbeiten.
Vor dem Abgabetermin ist dann auch manchmal eine Nachtschicht drin. Der Aufbau des Studiums gefällt mir aber sehr, sehr gut! Auch die Aufteilung mit den Präsenzzeiten und den sehr konzentrierten Arbeitstagen vor Ort passt perfekt zu meinem Leben.
Die Reflexionsarbeit mit den Dozenten und in der Gruppe ist super. Wir konnten sehr schnell Vertrauen zueinander aufbauen. Vielleicht auch durch die gute Zusammenstellung der Gruppe. Auf jeden Fall habe ich das Gefühl: Hier bin ich gut aufgehoben und kann mich im Gespräch öffnen.
Das ist eine schöne Sache.

Hattest du bestimmte Erwartungen, als du mit dem MBA angefangen bist?
Vom MBA erhoffe ich mir, dass ich ganz viele Tools mitnehme, um meinen Alltag noch besser zu gestalten, Strukturen zu optimieren und besser verstehe, was die fachlichen Grundlagen sind um effizienter zu arbeiten.
Mir ist daran gelegen, meinen Berufsalltag durch ein systematischeres Herangehen zu vereinfachen. Wenn ich im Vorfeld schon weiß, worauf ich mich einstellen soll, oder auf welche Zahlen ich besonders achten muss, dann fällt es einfacher und ermöglicht mir Abkürzungen statt Umwege.

Gibt es jetzt schon solche Tools die du für den Beruf mitgenommen hast?
Ja. Eindeutig. Ich schau jetzt schon ganz anders auf Zahlen.
Strategie und Organisation war auch ein extrem wertvolles Modul, das mir die Funktionsweise von einem Unternehmen oder von einem Konzern offengelegt hat.
Ich verstehe jetzt besser, was da konkret passiert. Ein Bewusstsein zu entwickeln, dass es eine informelle Ebene gibt, auf der am Schuss alles passiert – das hat mir enorm geholfen.

Und gibt es darüber hinaus Neu-Erkenntnisse?
Bis jetzt hat mir jeder Kurs sehr viel gegeben. Von meinem Inneren bin ich grundsätzlich der Meinung: Es gibt kein unnützes Wissen. Da reagiere ich eher wie ein Schwamm, der alles in sich aufsaugt.
Ich bin überzeugt, dass unser Gehirn nie aufhört neue Verknüpfungen zu bilden. Zu allem, was ich aufnehme, auch wenn ich es jetzt konkret nicht brauche, entsteht eine Assoziation, die ich in einer zukünftigen Situation aktivieren kann. Deswegen bin ich sehr positiv Neuem gegenüber und dem Lernen aufgeschlossen.

In wie weit spielt Zukunft für dich eine Rolle?
Zukunft spielt für mich eine große Rolle: In meiner Gesellschafterfunktion und in meiner Berufstätigkeit, aber auch in meinem Denken – was schlussendlich zusammengehört.
Ich denke sehr langfristig. Zukunft ist für mich ein sehr präsentes Feld; gerade auch mit all den Herausforderungen, vor denen wir gerade stehen.
Ich tendiere sogar dazu, in Generationen zu denken 
– mehr als in Fünf-Jahres-Plänen. So verstehe ich auch meine Rolle als Gesellschafter: die Weichen müssen so gestellt sein, dass es auch in der nächsten Generation funktioniert. Meine Strategien sind hier auf langfristige Perspektiven ausgerichtet.

Vor dem Hintergrund der vielen Disruptionen und Neuerfindungen: Ist es denn heute noch möglich, sich in Zukunftsszenarien hineinzudenken? Nehmen wir beispielsweise die Flugverkehr- und Automobilbranche, in der du tätig bist: von heute auf morgen gibt es Newcomer, die Gesetzgebung verändert sich und Karten werden neu verteilt. Gibt es spezifische Fragen (wie etwa e-Mobilität oder Nachhaltigkeit) mit denen du dich beschäftigen musst?
Ja. Absolut. Das Erkennen von Megatrends ist sehr wichtig in meiner Funktion.
Das ist auch etwas, bei dem ich aus meiner Sicht bisher immer ein gutes Gespür hatte. Ich halte mich für  offen, anpassungsfähig und außerdem relativ schnell getriggert, sicherlich besonders innerhalb meiner Bubble und meines Wertesystems.  Das Thema Nachhaltigkeit, auch in Bezug auf E-Mobilität,  verfolgen wir im Familienunternehmen schon lange.
Nachhaltigkeit war bereits in der Vorgänger-Generation präsent und ist tief in unserer Firmenkultur verankert. Gerade jetzt sind wird dabei diesen Bereich strategisch zu erweitern und zu vertiefen.
Das ist sicherlich etwas, was man künftig noch ernster nehmen muss, aber zum Glück ist es in unserer DNA schon verankert. Wir machen sehr viel in dieser Richtung und es erfordert für uns keinen kompletten Wechsel in unserer Denkrichtung. Das ist ein immenser Vorteil.

Mit Blick auf eure internationale Tätigkeit: Wie wichtig sind für dich ein grundlegendes geopolitisches Wissen sowie interkulturelles Verständnis?
Zu meinem Werteverständnis gehört, grundsätzlich eine andere Sichtweise zu akzeptieren. Ich habe oft das Gefühl, dass wir als Europäer – oder als globaler Westen – dazu tendieren, andere Werte an unserem Wertesystem zu messen. Und das ist etwas, was ich zu vermeiden versuche. In andere Kulturen sind die Werte nicht schlechter als in unserer und wenn man sich die eigene Kultur durch die Augen eines Außenstehendens anschaut ist es wichtig, sich auch selbst hinterfragen zu können.
Ich fühle mich nicht angegriffen, wenn ich auf etwas treffe, das erstmal nicht meinem Wertesystem entspricht. Da sehe ich mich lieber als Lernender statt als Verteidiger.

Hast du mit den Mitstudierenden im Witten MBA die Möglichkeit, dich auf andere Perspektiven einzulassen?
Da würde ich sogar so weit gehen zu sagen, dass der Witten MBA einen Schwerpunkt darauf legt!
Das hat sich für mich bereits im Philosophiekurs abgezeichnet und setzt sich beispielsweise im Modul Strategie und Organisation fort. Für mich wurde die Perspektive auf bestehende Organisationen geändert. Ich verstehe nun, dass es Strukturen gibt, die auf der formalen Ebene gar nicht offensichtlich sind. Mein Blick wird jetzt auch auf die informelle Ebene gelenkt, die ich zuvor nur subtil wahrgenommen habe.
Sehr viele Kurse haben mindestens im Unterton die Botschaft: Es gibt auch eine andere Perspektive; und die ist ebenfalls in Ordnung. Jedenfalls ist dies meine Empfindung im Studium.
In dem Modul Konfliktmanagement wurde hier sogar nochmal ein Schwerpunkt gesetzt.
In diesem Topic ist der MBA in Witten meiner Meinung nach sehr, sehr gut aufgestellt. Und das zeigt sich auch in der Gruppendynamik: Eine neugierige und positive Sicht auf andere Perspektiven ist eher Norm als eine Ausnahme.
Nun startet der zweite Jahrgang. Hast du schon Themen identifiziert, auf die du dich fokussieren möchtest?
Ich bin sehr gespannt auf die nächsten zwei Semester. Sie werden definitiv eine weitere Tiefe erreichen. Meinen genauen Bedarf kann und möchte ich dabei im Vorfeld nicht definieren. Stattdessen  bin ich gespannt, welche Sichtweisen und Tools ich in den nächsten Kursen erlernen werde. Beispielsweise hat mich in der Vergangenheit das Modul „Philosophie und Führung“ überrascht.
Der Kurs hat mein Denken in einer Weise beeinflusst die ich vorher nicht prognostiziert, und sicher nicht als Fokusthema identifiziert hätte. Ich bin lieber gespannt was auf mich zukommt, statt
im Vorfeld zu werten: Dieses brauche ich und jenes brauche ich nicht.

Vor dem Hintergrund des digitalen Wandels: In wie weit spielt das Thema ‚Industrie 4.0.‘ eine Rolle für dich?
‚Industrie 4.0.‘ ist ein unglaublich schwammiger Begriff! (lachen)
Das ist vergleichbar mit einem Manager, der sagt: Wir müssen digitaler werden! – und keiner weiß, was konkret damit gemeint ist. Was soll ich sagen? Das Wort ‚Industrie 4.0.‘ hat bei uns jedenfalls keinen Angst-Schweiß ausgelöst. Wir sind kontinuierlich dabei, Innovationen im digitalen Bereich voran zu treiben und gut mit dem Trend der Zeit gelaufen. In der Vergangenheit mussten wir keinen massiven Wandel induzieren oder eine Richtung ändern. Wir waren stets im Einklang mit dem Wandel der Zeit und neue Herausforderungen haben sich immer harmonisch eingefügt.

Als letzte Frage: Was heißt für dich Zukunft gestalten?
Auf jeden Fall den langen Blick nicht zu verlieren. An die zu denken, die noch nicht da sind. (Gedankenpause)
Zukunft gestalten ist, heute das zu tun, was einer Folgegeneration guttut und oder nützt. Genau das bedeutet für mich Zukunft gestalten. Leider vermisse ich diese Einstellung oft in der heutigen, kapitalistischen Gesellschaft.
Oft stehen Quartalsgewinne, Fünf-Jahres-Pläne und Wachstumsprognosen im Mittelpunkt. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Persönlich habe ich das Gefühl, dass unser aktuelles Wirtschaftssystem nicht genug zukunftsgerichtet ist und auch keine langfristig funktionierenden Perspektiven aufzeigt.
Der Wandel der Perspektive  das ist meines Erachtens die große Herausforderung unserer jetzigen Zeit: natürlich unglaublich schwierig auf der einen, aber unabdingbar auf der anderen Seite. Tatsächlich sehe ich jedoch aktuell noch nicht viele Zeichen dafür, dass die Menschheit bereit ist, diese Anstrengung auf sich zu nehmen.

Hoffentlich ein nicht allzu kulturpessimistischer Blick zum Schluss!
Tatsächlich halte ich mich für einen großen Optimisten. Aber vor dem Hintergrund, welche Prioritäten von der Politik aktuell gesetzt werden, bekomme ich manchmal das Gefühl, dass die Big Player dieser Welt nicht den Fokus in die Ferne gerichtet haben. Doch gerade der Klimawandel und die Erde für zukünftige Generationen als lebenswerten Ort zu sichern sind die großen Probleme dieser Welt.

Vielen Dank für das schöne Gespräch und für deine Zeit!

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